Sie ist spezialisiert auf Geschichtsdokumentationen und drehte nun einen bewegenden Film, der morgen Abend im Fernsehen zu sehen ist.
Judith Völker, welche Eindrücke hat Ihr erster Fußball-Film auf Sie hinterlassen?
Mit der „Meisterschaft der Herzen“ habe ich mich natürlich einem Thema genähert, an dem die Emotionen der Betroffenen und der Zeitzeugen auch heute noch sehr schnell hoch kochen. Diese Achterbahnfahrt der Gefühle ist für viele Schalker unvergessen. Ich war beeindruckt davon, mit welcher Bewegtheit mir die Menschen ihre Erinnerungen offenbart haben. Ich hoffe, diesen Eindruck transportiert auch der Film.
Hat es Sie selbst ungerührt gelassen?
Nein. Ich werde demnächst in der Schalke Arena zum ersten Mal ein Bundesligaspiel sehen, damit ich die Atmosphäre eines Fußballspiels miterleben kann. Insofern hat es mich ein bisschen erwischt, obwohl Fußball bisher in meinem Leben eine sehr untergeordnete Rolle gespielt hat. Ich war erstaunt darüber, dass alle Protagonisten dieses Bekenntnis zu Schalke sehr tief empfunden haben. Es ist ein Teil ihrer Lebensgeschichte. Egal ob es ein ehemaliger Profi wie Gerald Asamoah war oder eben ein ganz normaler Fan. Irgendetwas Besonderes muss an diesem Verein sein.
Wie war die Begegnung mit den Männern aus dem Profigeschäft? Sehr unkompliziert. Asamoah und Stevens, der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch nicht wieder Trainer auf Schalke war, haben sehr reflektiert über das Spiel gesprochen. Im Gegensatz zu manchen Fans gab es keine Tiraden gegen Markus Merk, den Schiedsrichter in Hamburg. Stevens stellte etwas Bemerkenswertes fest: „Wären wir ganz normal Meister geworden, würde heute kein Mensch mehr darüber reden.“ Ist das Thema nach zehn Jahren nicht langsam erledigt? Zum 10. Jahrestag am 19. Mai 2011 haben sowohl bundesweite Blätter wie die FAZ, die Frankfurter Rundschau, die Welt oder die taz als auch regionale Zeitungen dieses Ereignis mit einer Schlagzeile gewürdigt. Die vier Minuten anno 2001 gehören tatsächlich zur Geschichte – nicht nur in NRW. Bei den Zeitzeugen ist es eh präsent, sonst hätte es nicht diese emotionale Tiefe gegeben. Für manche war es eine Art Therapiegespräch vor laufender Kamera. Wenn wir in Schalke oder in Wanne-Eickel gedreht haben und Passanten bekamen mit, worum es ging, haben sie uns gleich angesprochen und uns ihre Erinnerungen an 2001 erzählt. Ich habe noch etliche Zettel mit Handynummern von Leuten in der Tasche, die ich unbedingt anrufen sollte. Also abgeschlossen scheint mir das Kapitel ganz und gar nicht.
Und dann singen die Dortmunder Fans beim Derby: „Ein Leben lang / keine Schale in der Hand“. Dieser Spott gehört wohl zur Fan-Konkurrenz dazu. Für die Schalker ist das Warten auf die Meisterschaft auf jeden Fall längst eine eigene Passionsgeschichte. Angefangen mit dem Vater, mit dem man in die Glückauf-Kampfbahn ging und sich in Schalke verliebte, über das Parkstadion bis hin zur Dauerkarte in der Arena. Die meisten unserer Zeitzeugen haben nie eine Schalker Meisterschaft erlebt, und diese Wunde sitzt tief.